Vom Klimawissen in die Praxis: DAAD-Programme bauen auf vielfältige Partnerschaften

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Ein steter internationaler Austausch zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist essenziell, um die Folgen des Klimawandels einzudämmen.

Mit seinen Fördermaßnahmen stärkt der DAAD nicht nur weltweit Lehre und Forschung im Bereich Klima und Umwelt. Er unterstützt außerdem den Transfer von gewonnenen Erkenntnissen in die Praxis. Zum einen geht es darum, neueste Forschungsergebnisse über die Wissenschaftscommunity hinaus für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zum anderen müssen sie in Kooperation mit Wirtschaft und Politik zur Anwendung kommen.

Beim Thema Klimawandel schaut die Welt vom 7. bis 18. November 2022 nach Sharm El Sheikh. In der ägyptischen Stadt auf der Sinai-Halbinsel versammeln sich in dieser Zeit die Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention zur 27. Weltklimakonferenz (Conference of the Parties, COP27). Erklärtes Ziel ist es, ein Arbeitsprogramm zur Steigerung der Ambitionen und der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen zu verabschieden. Dabei findet die eigentliche Arbeit auf den vielen Nebenveranstaltungen statt, auf denen sich Akteurinnen und Akteure aus den teilnehmenden Ländern und den unterschiedlichsten Wirkungsbereichen zum direkten Austausch treffen.

Dieser internationale Wissensaustausch ist essenziell, wenn es zu einer Eindämmung der Klimaerwärmung kommen soll. Das gilt in besonderem Maße für den Praxistransfer von Erkenntnissen, die aus Lehre und Forschung rund um das Thema Klima gewonnen werden. Nicht zuletzt deswegen wird die Stärkung der Globalen Partnerschaft von den Vereinten Nationen als eigenes Ziel im Rahmen der Agenda 2030 definiert (Ziel 17). Dieses schreibt unter anderem Multi-Akteur-Partnerschaften eine besondere Rolle zu, wenn es um die Mobilisierung und den Austausch von Wissen, Fachkenntnissen und Technologie geht oder um die Bildung wirksamer öffentlicher, öffentlich-privater und zivilgesellschaftlicher Partnerschaften. Diesen Ansatz verankert auch der DAAD im Rahmen seiner Programme und Projekte, um das an Hochschulen generierte Klimawissen für Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zugänglich zu machen und gemeinsam für Lösungsansätze in der Praxis zu nutzen. 

Transfer von Anfang an mitdenken
In diesem Sinne wird der Wissenstransfer bei DAAD-Förderprojekten von vornherein mitgedacht – in Form von Dialog, Austausch, Publikationen oder Vernetzung mit unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren. Im Programm Praxispartnerschaften beispielsweise fördert der DAAD aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Hochschulpartnerschaften zwischen deutschen Hochschulen und ihren Partnerhochschulen in Afrika unter direkter Beteiligung der deutschen sowie der lokalen Wirtschaft. Diese Zusammenarbeit, die sich am lokalen Bedarf im Partnerland orientiert, fördert nicht nur den Dialog zwischen Hochschule und Wirtschaft, sondern trägt zudem dazu bei, dass Wissenstransfer in beide Richtungen gesichert ist. Ergebnisse aus den Hochschulen können in die Wirtschaft, aber auch in die Forschung einfließen. So führen technische Probleme, die in der Praxis auftreten, manchmal auch zu neuen Fragestellungen für die Wissenschaft. „Der Perspektivwechsel spielt hierbei eine entscheidende Rolle“, erklärt Heike Heinen-Kritz, Referentin für Partnerschaftsprogramme im DAAD. Jeder Akteur und jede Akteurin habe abhängig von Rolle und regionaler Herkunft einen anderen Blick darauf, was für das jeweilige Ziel eines Projektes, wie zum Beispiel einen Beitrag zum Thema Klimawandel zu leisten, notwendig ist. „Wir müssen Ebenen finden, wo sich die Handelnden auf Augenhöhe begegnen können“, so Heinen-Kritz. „Denn solche Beziehungen zwischen den verschiedenen Stakeholdern sind für den Wissenstransfer einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren“, ist sie überzeugt. Ein erfolgreicher Austausch auf Augenhöhe basiere auf Kommunikation, Vertrauen und der Bereitschaft, sich auch selbst anzupassen. Es brauche den Willen und die Gelegenheit zum Austausch. „Beides muss stetig gefördert werden.“

Austausch und Perspektivwechsel statt einseitiger Wissensweitergabe
Der Austausch auf Augenhöhe ist eines der Kernelemente des „Transnational Centre for Just Transitions in Energy, Climate & Sustainability“ (TRAJECTS). Das Projekt wird im Rahmen des DAAD-Förderprogramms „Globale Zentren für Klima und Umwelt“ aus Mitteln des Auswärtigen Amts gefördert. Ziel von TRAJECTS ist es, lokal eingebettete, aber global ausgerichtete Perspektiven auf dringende Veränderungen zu richten, die zum Schutz des Klimas und der Umwelt im Bereich der fossilen Brennstoffe und im Landmanagement notwendig sind. Am Hauptsitz in Kolumbien sowie in zwei Hubs in Südafrika und Deutschland finden bedarfs- und politikorientierte Forschung und Lehre mit inter- und transdisziplinärem Ansatz statt. Dafür hat TRAJECTS ein globales Netzwerk aufgebaut, das mittlerweile aus über 40 Institutionen aus Zivilgesellschaft, Graswurzelbewegungen, Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft besteht – eine optimale Voraussetzung, um die Nutzung von forschungsbasierten Erkenntnissen in der Praxis zu stärken. Damit dies gelingen kann, müssen sich die Akteure unterschiedlicher Sektoren und Regionen auf Augenhöhe begegnen. „Wir wollen mehr als die einseitige Weitergabe von Wissen oder Technologie vom Globalen Norden in den Globalen Süden“, sagt Nataly Alexandra Diaz Cruz, akademische Koordinatorin von TRAJECTS. „Wir brauchen einen Wissensaustausch in beide Richtungen, weil nur das eine partnerschaftliche Zusammenarbeit gewährleistet.“

Vom Klimawissen in die Praxis: DAAD-Programme bauen auf vielfältige Partnerschaften

Privat

Juan David Pinzon Lopez studiert Betriebswirtschaftslehre an der Nationalen Universität von Kolumbien in Bogotá und arbeitete Anfang 2022 im Rahmen von TRAJECTS beim Unternehmen Exposolar.

Den Perspektivwechsel fördert TRAJECTS unter anderem im Rahmen von Junior- oder Senior-Austauschprogrammen, die drei- bis viermonatige Praktika oder Forschungsaufenthalte bei einem der Netzwerkmitglieder ermöglichen. In der Regel sind es Studierende, Aktivistinnen und Aktivisten oder bereits in der Wirtschaft Aktive aus dem Globalen Süden, die sich um die Aufenthalte bewerben können. Dazu zählt etwa Juan David Pinzon Lopez. Der Kolumbianer studiert Betriebswirtschaftslehre an der Nationalen Universität von Kolumbien in Bogotá. Drei Monate lang hat er Anfang dieses Jahres bei Exposolar gearbeitet, einem kolumbianischen Messeunternehmen, das Produkte und Entwicklungen in der Solarthermie und der Photovoltaik, in nachhaltiger Mobilität und LED-Beleuchtung ausstellt. „Ich konnte auf der einen Seite mein akademisches Wissen in der Praxis einbringen und anwenden. Auf der anderen Seite habe ich selbst wertvolle Einblicke in die Solartechnologie und den Markt erhalten“, fasst er zusammen. Sein Austausch hat nicht nur dazu geführt, dass er seine Masterarbeit nun über „TRAJECTS und den Transfer in die Praxis“ schreibt, sondern selbst gerade ein Start-up gegründet hat, das Solartechnologie in Kolumbien und Lateinamerika verbreitet. 

Juan David Pinzon Lopez ist einer von vielen DAAD-Geförderten, die das Klimawissen, das sie im Studium oder Praktikum erworben haben, in die spätere Berufspraxis weitertragen. Dies unterstreicht auch eine Sonderauswertung der DAAD-Stipendiatenbefragung. In den Jahren 2020 und 2021 arbeiteten rund 18 Prozent der DAAD-Alumnae und -Alumni drei Jahre nach ihrer Förderung in einem Tätigkeitsfeld mit Klima- oder Umweltbezug. Viele von ihnen nehmen auch eine aktive Rolle in der Wissenschaftskommunikation ein: Zwei Drittel haben seit ihrer Förderung wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht – durchschnittlich fünf pro Person.

Partizipation auch im Mittelpunkt der Cairo Climate Talks
Austausch auf Augenhöhe steht auch im Mittelpunkt der Cairo Climate Talks (CCT). Dahinter verbirgt sich eine Umweltplattform der deutschen Botschaft in Kairo. Hauptpartner sind das ägyptische Umweltministerium, der DAAD und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Die Initiative ist 2011 im Rahmen des Arabischen Frühlings zur Stärkung der ägyptischen Zivilbevölkerung entstanden: Partizipation stand damals im Mittelpunkt der Überlegungen, als die deutsche Botschaft zusammen mit der DAAD-Außenstelle Kairo dieses Format ins Leben rief. Mittelpunkt der Aktivitäten im Rahmen der Zusammenarbeit sind Podiumsdiskussionen zu Klimafragen mit führenden politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern sowie Expertinnen und Experten aus Ägypten, Deutschland und auch anderen Ländern weltweit. Die Panels werden in der Regel von halbtägigen Workshops und Round-Table-Gesprächen für Praktikerinnen und Praktiker aus Ägypten, bisweilen auch durch anschließende Publikationen begleitet. Aktionen wie Schulprojekte, Hochschulkonferenzen, Panel-Diskussionen oder Fortbildungen für Journalistinnen und Journalisten, unter anderem zur COP-Berichterstattung, kommen hinzu. 

Der DAAD brachte von Anfang an sowohl deutsche als auch ägyptische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichsten Disziplinen mit an den Tisch. Bei den zahlreichen Paneldiskussionen, Workshops und Konferenzen mit Hochschulbezug ist die DAAD-Außenstelle Kairo Hauptpartner. Einen wesentlichen Beitrag zum Thema Klima leistet die Außenstelle zudem im Rahmen des eigenen Leuchtturmprojekts COSIMENA – DAAD Ägypten (Clusters of Scientific Innovation in the Middle East and North Africa). Diese Plattform basiert auf diversen Fachclustern, über die die Außenstelle Forscherinnen und Forscher sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus Deutschland und der gesamten MENA-Region (Middle East and North Africa) über Events wie Konferenzen, Workshops, Summer Schools und Public Lectures miteinander vernetzt und den fachlichen Austausch der diversen Stakeholder fördert. Dabei geht es insbesondere darum, drängende globale Fragen und Herausforderungen zu behandeln – wozu auch der Klimaschutz in der ganzen Bandbreite der wissenschaftlich relevanten Themen gehört. Insofern ist es ebenfalls wichtig, die Cluster untereinander, zum Beispiel über Metakonferenzen, miteinander zu verbinden.

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Watter/DAAD AS Kairo

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Mitte), der deutsche Botschafter in Ägypten, Frank Hartmann, und Isabell Mering, ehemalige Leiterin der DAAD-Außenstelle Kairo. Baerbock besuchte die Außenstelle im Rahmen ihrer ersten Reise in die MENA-Region im Februar 2022, um politische Gespräche zu führen. Dabei lernte die Ministerin diverse Stakeholder der Cairo Climate Talks kennen und sprach mit Vertreterinnen und Vertretern ägyptischer Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft.

Wichtige Impulse für die Gesellschaft
„Mit unseren Initiativen und Aktivitäten gelingt es, sowohl die Hochschulen und die Forschung als auch die Öffentlichkeit auf breiter Basis zu involvieren und länderübergreifend für das Thema Klima zu sensibilisieren. Ein transnationaler Wissenschaftsdialog, der auch in neue klimarelevante Projekte münden kann“, sagt Isabell Mering, die bis September 2022 die DAAD-Außenstelle Kairo geleitet hat. Das Konzept der CCT habe sich über die Jahre hinweg sehr stark weiterentwickelt, und auch die Partizipation der jungen Generation und der Schulen spiele eine immer größere Rolle. „Inzwischen wird durch CCT praktisch die ganze Bandbreite von Aktionen bedient – von Müllsammeln am Strand von Alexandria über ‚Model COP 27‘ an Schulen bis hin zu wissenschaftlichen Podiumsdiskussionen und Workshops. Das macht das Projekt auch so spannend und einzigartig“, unterstreicht Mering. 

Aufgrund der globalen Klimakrise und der Herausforderungen ist es sicherlich eine Überlegung wert, eine Initiative wie die CCT auf andere Standorte in der Welt auszuweiten“, ergänzt Fatma Soliman, die seit Oktober 2022 kommissarisch die DAAD-Außenstelle Kairo leitet. Das Format würde sich aus ihrer Sicht aufgrund der globalen Relevanz auch andernorts als öffentlichkeitswirksames Best-Practice-Projekt eignen, das wichtige Impulse für die Gesellschaft setzen kann. 

Melanie Rübartsch (7. November 2022)