Lotsen für den Bologna-Kurs

Oliver Reetz/DAAD

Richtungsweisend: Nach der italienischen Stadt Bologna ist der Prozess benannt, mit dem ein gemeinsamer europäischer Hochschulraum angestrebt wird.

Im Rahmen des Projekts „Bologna Hub Peer Support“ haben Hochschulen aus dem gesamten Europäischen Hochschulraum in den vergangenen anderthalb Jahren Unterstützung von Expertinnen und Experten bei der Umsetzung der Bologna-Key-Commitments erhalten. Für die Hochschulen hat die Beratung auf Augenhöhe viele neue Impulse gesetzt.

Die Premiere ist geglückt. Den ersten zweijährigen Durchlauf des Projekts „Bologna Hub Peer Support“ haben alle Beteiligten Ende Mai in einer großen digitalen Konferenz abgeschlossen – mit zahlreichen neuen Kontakten und wertvollen Ideen im Gepäck. Im Projekt haben insgesamt 26 internationale Bologna-Expertinnen und -Experten Peer-to-Peer-Konsultationen mit insgesamt 28 Hochschulen aus dem Europäischen Hochschulraum (EHR) absolviert. Zentrale Themen waren die Key-Commitments des Bologna-Prozesses: Studierende sollen problemlos in verschiedenen Staaten Europas vergleichbare Leistungsnachweise sammeln, überall anerkannte Abschlüsse machen und sich auf ähnliche Qualitätsstandards verlassen können. „Die Rahmenbedingungen für die praktische Umsetzung sind je nach Land und Hochschule sehr unterschiedlich. Wir wollten den Verantwortlichen der Institutionen eine möglichst pragmatische Hilfe und direkte Ansprechpartner vermitteln, mit denen sie auf Augenhöhe reden können“, erklärt Matthias Becker, verantwortlicher Projektreferent im DAAD-Referat „Erasmus+ Politikunterstützung“. Als Bologna-Expertinnen und -Experten fungierten daher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bildungsministerien oder Professorinnen und Professoren, die selbst bereits praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt haben. Aus Sicht der beteiligten Hochschulen ist dieses Konzept aufgegangen.

Ganz konkrete Maßnahmen abgeleitet
Ein Beispiel ist die private Universidad Francisco de Vitoria in Madrid. Zweimal hat sich ein 15-köpfiges Team rund um Vizerektor Juan Pérez-Miranda mit der georgischen Professorin Irine Darchia und ihrem deutschen Kollegen Klaus Kratzer zu Workshops getroffen. „In einem ersten digitalen Treffen ging es darum, unsere Anliegen und individuellen Herausforderungen gemeinsam zu identifizieren und anschließend erste Maßnahmen abzuleiten“, erinnert sich Pérez-Miranda. Nach etwa acht Monaten traf sich die Gruppe erneut, um das Erreichte zu evaluieren – diesmal teils digital, teils persönlich.

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UFV

Motivierende Impulse: Juan Pérez-Miranda, Universidad Francisco de Vitoria in Madrid.

Die Verantwortlichen in Spanien wollten vor allem Unterstützung bei der Frage, wie die Hochschule sowohl attraktiver für ausländische Studierende wird, als auch die Mobilität der eigenen Studierenden steigern kann. „Eine wichtige Erkenntnis war, dass wir einige Instrumente des Bologna-Prozesses wie die akademische Anerkennung und den Europäischen Diplomzusatz sehr viel intensiver zum Nutzen unserer Internationalisierungsstrategie einsetzen können“, sagt der Rektor. Auch sei klar geworden, dass man die Möglichkeiten der Internationalisierung an der eigenen Hochschule mehr nutzen sollte. Entsprechend hat das Projektteam nach der ersten Konsultation unter anderem intensiv daran gearbeitet, die Vorteile der Internationalisierung intern zu bewerben, neue Qualitätsindikatoren zur Messung der Internationalisierung eingeführt und regelmäßige Best-Practice-Treffen und Fokusgruppen aus Professorinnen und Professoren sowie Studierenden gefördert. Ganz konkret ist zudem ein neues Programm für englischsprachige Lehrmodule im Bereich Ingenieurwesen entstanden. „Die Impulse von Irine Darchia und Klaus Kratzer waren sehr motivierend“, sagt Pérez-Miranda. „Wir haben über sie einige Best-Practice-Beispiele kennengelernt vor allem in Bezug auf die strategische Planung der Internationalisierung und die Bedeutung englischsprachiger Module.“ 

Inspiration für neue Lösungen
Auch aus Sicht von Malgorzata Winiarska-Brodowska, Juniorprofessorin und Projektkoordinatorin für die Jagiellonian University in Krakau, war das Projekt eine einzigartige Gelegenheit, über die internationalen Expertinnen und Experten neue Perspektiven zu erhalten. „Maßgeschneiderte Expertenberatung und ein individueller Ansatz sind aus meiner Sicht die Stärken des Projekts.“ Gemeinsam mit der deutschen Bologna-Expertin Sonja Mikeska und ihrer albanischen Kollegin Eglantina Hysa haben die Verantwortlichen der Krakauer Forschungsuniversität intensiv darüber diskutiert, wie sich der Grad der Internationalisierung an der Hochschule und einzelner Bildungsprogramme so steigern lässt, dass eine gleichbleibend hohe Qualität gesichert werden kann.

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Rafał Korzeniowski

Neue Perspektiven erhalten: Malgorzata Winiarska-Brodowska, Juniorprofessorin und Projektkoordinatorin an der Jagiellonian University in Krakau.

Die Ergebnisse nach den beiden Konsultationen sind vielfältig. So prüfen die Behörden der Universität aktuell etwa eine Bewerbung um eine internationale institutionelle Akkreditierung, in der das gesamte vorhandene Fachwissen über Qualitätssicherung, Internationalisierung und innovative Lehrmethoden sichtbar gemacht werden kann. Auf Fakultätsebene werden zugleich spezifische Strategien für die einzelnen Fachbereiche ausgearbeitet und innovative didaktische Methoden wie etwa Teaching Slams angewandt, um den Herausforderungen der heutigen Bildung zu begegnen. Malgorzata Winiarska-Brodowskas Resümee ist dementsprechend positiv: „Die Treffen haben uns wirklich zu neuen Lösungen inspiriert und zu einer breiten Debatte in der gesamten Universität beigetragen.“

Im September startet die nächste Runde
Parallel zum Abschluss des ersten Projektdurchgangs sind die Vorbereitungen für die Fortsetzung des „Bologna Hub Peer Supports“ bereits im Gange. Die zweite Runde wird abermals über zwei Jahre laufen. Ab Herbst können sich wieder Hochschulen aus dem Europäischen Hochschulraum bewerben.

Melanie Rübartsch (8. Juli 2022)

Den Kompass an Bologna ausrichten

Weitere Informationen

Bologna Hub Peer Support: Mehr Informationen zum Bewerbungsprozess werden ab Herbst 2022 auf der Projektwebseite verfügbar sein.