„Ich werde lebenslang ein Freund Deutschlands sein“

Universität Cardiff

Die Deutschlandaufenthalte, gefördert durch den DAAD, haben seinen Berufsweg entscheidend mitgeprägt: Professor Dr. Colin Riordan, Präsident und Rektor der Universität Cardiff, Wales.

Was ihnen ihre Förderung durch den DAAD bedeutet, teilen viele DAAD-Alumnae und -Alumni seit Anfang Juli unter #IgotFundedByDAAD auf Twitter. Ein DAAD-Alumnus hatte den Hashtag initiiert, inzwischen finden sich dort dazu mehr als 1.800 Tweets. In ausführlicheren Statements bringen ehemalige Geförderte nun in einer kleinen DAAD-Aktuell-Serie genau dies zum Ausdruck: wie ein Stipendium des DAAD ihren Berufs- und Lebensweg beeinflusst hat, aber auch, welche Rolle der DAAD als Förderorganisation im Kontext des internationalen wissenschaftlichen Austauschs einnimmt. Den Anfang macht der Präsident und Rektor der Universität Cardiff, Prof. Dr. Colin Riordan.

Als sich die britische Regierung 2020 dafür entschied, dem europäischen Bildungsaustauschprogramm Erasmus+ nach dem Brexit nicht beizutreten, waren viele enttäuscht. Jedoch bringt fast jeder Verlust auch Chancen mit sich – in diesem Fall die Chance, in Großbritannien ein einheimisches Austauschprogramm zu entwickeln. Ein Vorbild existiert schon: der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD). Persönlich verdanke ich ihm die Förderung gleich mehrerer Deutschlandaufenthalte, die meinen Berufsweg entscheidend mitgeprägt haben.

Seit mittlerweile fast einem Jahrhundert hat Deutschland durch die Arbeit des DAAD einen Weg zur Internationalisierung in der Wissenschaft aufgezeigt und vor allem seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Weitsichtigkeit seiner Außenpolitik, seine weltoffene Kultur, Gastfreundlichkeit, Großzügigkeit und seine Bereitschaft zur internationalen Zusammenarbeit unter Beweis gestellt. Nicht nur tausende von Studierenden, sondern auch zahlreiche Lehrende reisen aus aller Welt nach Deutschland, um persönlich vor Ort zu lernen oder zu forschen. Zudem werden die deutsche Sprache und die deutsche Kultur sowie einschlägige Fachrichtungen wie Jura und BWL an ausländischen Hochschulen durch qualifizierte, durch den DAAD geförderte Lektorinnen und Lektoren unterrichtet.

Ich hatte das außerordentliche Glück, dreimal als DAAD-Stipendiat in Deutschland zu studieren und zu lehren: das erste Mal als Student für ein akademisches Jahr in Freiburg 1979–80, später ein Jahr als Doktorand 1985–86 in Erlangen und ein drittes Mal im Wintersemester 2002/2003 nochmals in Erlangen, als ich Professor für Germanistik an der Universität Newcastle war. Die Erfahrungen, die ich während dieser Aufenthalte sammelte, und die Möglichkeiten, mein Deutsch zu verbessern, waren für mein Leben und meine Karriere ausschlaggebend. Heute befinde ich mich im letzten Jahr meiner Berufstätigkeit, nach Zeiten als Dozent an der Universität Swansea, Professor in Newcastle sowie 15 Jahren als Rektor der Universitäten Essex und Cardiff.

All diese Stationen hätte es ohne den DAAD nicht gegeben: Es liegt auf der Hand, dass meine Ausbildung zum Germanisten von meinen Deutschlandaufenthalten profitierte. Weniger offensichtlich waren die Lehren, die ich aus diesen unterschiedlichen, aber durchweg positiven Erfahrungen für meine spätere Tätigkeit als Rektor zog. Die Fähigkeit, sich in neuen, unbekannten Situationen zurechtzufinden, zumal in einer Fremdsprache, wird auch vielen Deutschen bekannt sein, die im Ausland leben, arbeiten oder studieren. Aber in Deutschland habe ich insbesondere auch über die Wichtigkeit von Umweltschutz nachzudenken gelernt, bevor dies bei uns in Großbritannien überhaupt ein Thema war. Wie eine neue, zunehmend selbstsichere Demokratie trotz aller Herausforderungen funktionieren kann, die aus den schweren Fehlern der Vergangenheit so vieles gelernt hat, was für andere Länder wie das unsere von Nutzen sein könnte, bleibt mir in guter Erinnerung – vor allem das kritische Denken und Debattieren, um nach Möglichkeit schließlich eine gemeinsame Grundlage zu finden. Persönlich gesehen gehören diese Jahre in der Bundesrepublik zu den schönsten meines Lebens. Ich werde dafür ewig dankbar und ein lebenslanger Freund Deutschlands sein.

Aber was hat Deutschland selbst davon, internationale Studierende und Wissenschaftler wie mich zu fördern? Auf Englisch gibt es ein schönes, ursprünglich von Joseph S. Nye geprägtes Wort: soft power. Dabei versucht ein Land, andere Länder durch Diplomatie, internationale Hilfe, kulturellen Austausch und dergleichen zu beeinflussen. Der DAAD stellt in meinen Augen das internationale Musterbeispiel eines solchen Vorgehens dar. Deutschland hat somit ein bewährtes System des wissenschaftlichen Austauschs, um das es weltweit beneidet wird, und mit dem DAAD einen Schatz, der dem gesamten Land und der ganzen Welt von Nutzen ist.

Colin Riordan (23. September 2022)

Zur Person

Professor Colin Riordan ist Präsident und Rektor der Universität Cardiff. Darüber hinaus amtiert er als Vizepräsident der Vereinigung der Commonwealth-Universitäten, Treuhänder des UCAS, Vorstand von Welsh Higher Education Brussels und Beiratsvorsitzender von IDP Connect. Weiterhin ist er als Mitglied der British Council Education Advisory Group und im Beirat des Taith-Programms aktiv.
 
Colin Riordan unterrichtete Englisch als Fremdsprache an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (1982–84). Von 1986 bis 1998 war er als Lektor und Senior-Lektor an der Universität Swansea tätig. Anschließend wurde er zum Prorektor und Provost an der Fakultät der Humanities und Sozialwissenschaften der Universität Newcastle berufen. Von 2007 bis 2012 führte er das Amt des Rektors an der Universität Essex. Seit September 2012 ist Colin Riordan Präsident und Rektor der Universität Cardiff.